Wie steht’s denn mit dem gesellschaftlichen Zusammenhalt?

Stephanie Hofschlaeger  / pixelio.de

Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de

Ich habe ja einen gewissen Hang zu den pseudowissenschaftlichen Untersuchungen der Bertelsmannstiftung, die immer so hübsch bunt aufbereitet sind und in deren Erklärungen, wie die Studie zustande gekommen, alles immer so unglaublich nachvollziehbar und umfassend klingt. Nun gibt es eine neue solche Studie, dieses Mal zum Thema „gesellschaftlicher Zusammenhalt“. Hierfür wurden 34 Staaten der EU und OECD zum Teil bereits seit 1989 immer wieder untersucht und für gewisse Zeiträume Ergebnisse präsentiert. So ergeben sich vier Zeiträume, aus denen man bestimmte Entwicklungen innerhalb eines Lande ablesen kann. Die Items für die Erfassung des gesellschaftlichen Zusammenhalts ergeben sich aus den Ergebnissen der drei thematischen Untergruppen, die hier mal aufgelistet sind.

soziale Beziehungen
soziale Netze – Die Menschen haben starke und belastbare soziale Netze.
Vertrauen in die Mitmenschen – Die Menschen haben großes Vertrauen in ihre Mitmenschen.
Akzeptanz von Diversität – Die Menschen akzeptieren Personen mit anderen Wertvorstellungen und Lebensweisen als gleichberechtigten Teil der Gesellschaft.

Verbundenheit
Identifikation – Die Menschen fühlen sich mit ihrem Gemeinwesen stark verbunden und identifizieren sich als Teil davon.
Vertrauen in Institutionen – Die Menschen haben großes Vertrauen in gesellschaftliche und politische Institutionen.
Gerechtigkeitsempfinden – Die Menschen sehen die Verteilung der Güter in der Gesellschaft als gerecht an und fühlen sich gerecht behandelt.

Gemeinwohlorientierung
Solidarität und Hilfsbereitschaft – Die Menschen fühlen sich verantwortlich für ihre Mitmenschen und helfen ihnen.
Anerkennung sozialer Regeln – Die Menschen halten sich an grundlegende soziale Regeln.
gesellschaftliche Teilhabe – Die Menschen nehmen am gesellschaftlichen und politischen Leben teil und beteiligen sich an öffentlichen Debatten.

Nun liegt Deutschland auf Platz 14 für den zuletzt erfassten Zeitraum von 2009 bis 2012 und es ist in der Gesamtwertung ein leichter Aufwärtstrend in Sachen gesellschaftlicher Zusammenhalt zu beobachten. Interessant sind in solchen Auswertungen ja immer die Bereiche, in denen eine Veränderung von statten gegangen ist. So ist beispielsweise ein kontinuierlicher Aufwärtstrend im Bereich der sozialen Netze zu beobachten. Diese sind aber scheinbar eher für die Menschen geöffnet, die den gesellschaftlich etablierten Vorstellungen entsprechen, denn eine gewisse Diversität zu akzeptieren, fällt den Deutschen schwer. Hierbei handelt es sich um die Akzeptanz von Menschen, deren Wertvorstellungen und Lebensentwürfe von den tradierten abweichen. Wodurch können Menschen hier abweichendes Verhalten zeigen, das der Mehrheit der Gesellschaft missfällt? Neben Menschen mit migrantischen Wurzeln und damit einhergehenden anderen Lebensweisen, religiösen Vorstellungen und Wertvorstellungen können hierzu auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften gezählt werden oder Menschen, die eben nicht dem Mainstream entsprechen, sondern sich bewusst durch ihre Lebensentwürfe davon abheben wollen.

Quelle: Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt messen was verbindet - bertelsmann-stiftung.de

Quelle: Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt messen was verbindet – bertelsmann-stiftung.de

 

Bemerkenswert finde ich auch das Auf und Ab des Gerechtigkeitsempfindens der Befragten, denn das war in den frühen Nullerjahren eher hoch, sank dann gegen Ende der Nullerjahre ab, um sich nun wieder im oberen Mittelfeld einzupegeln. Woran das liegt, kann ich mir nicht wirklich erklären, wäre aber gespannt auf interessante Deutungsansätze.

Mit der Identifikation tut sich der Deutsche kontinuierlich schwer. Von unseren europäischen Nachbarn haben damit auch die Niederländer und die Briten ein Problem und liegen in diesem Wertungsbereich in der Schlussgruppe, wobei bei den Briten diese Abwärtsentwicklung erst in den letzten beiden Messzyklen (ab 2004) zu beobachten ist. Besonders gut können sich die Dänen, Australier, Kanadier, Zyprioten, Bulgaren und Griechen mit ihrem Gemeinwesen identifizieren. Hier ist einerseits die Identifikation mit dem eigenen Land gemeint, was man auch schnell in die Schublade Patriotismus oder Vaterlandsliebe stecken könnte, aber auch eine Identifikation mit dem Gemeinwesen des eigenen Landes. Warum erstes im Argen liegt, lässt sich schnell historisch erklären und soll an dieser Stelle auch gar nicht weiter ausgebreitet werden – es is ja nun mal so wie es is. Aber warum auch so wenig Identifikation mit dem Gemeinwesen? Steckt da Politikverdrossenheit dahinter? Diese Denke, dass es eh immer nich der gleiche Hickhack nur mit einem anderen Label drauf ist, wenn eine Regierung wechselt? Auch hier bin ich für alternative Denkansätze dankbar.

Alles in allem scheint es nach Betrachtung dieser Studie in Deutschland ganz gut zu stehen, wenn man die Gesellschaft unter der Prämisse Zusammenhalt betrachtet. Wirklich schade finde ich aber tatsächlich den Abwärtstrend in Bezug auf die Akzeptanz von Diversität, sind wir da nicht eigentlich schon ein bisschen weiter, dass nicht immer alles konform laufen muss, sondern man die Menschen jenseits des eigenen Tellerrands akzeptierend machen lassen kann, was sie möchten, ohne sich als Besserwisser aufzuspielen oder gleich negativ bewerten zu müssen?

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