Mit einer Horde Fünftklässler ins Theater zu gehen, ist an sich schon eine Herausforderung. Wenn es sich dabei noch um SchülerInnen aus einer eher bildungsferneren Schicht handelt, hat man als begleitende Pädagogin schon seine Bedenken, ob da alles ruhig und gesittet abläuft. Doch lest selbst, wie es uns erging.
Manche Skelligeer Stadtteile steht nicht immer für Harmonie und entspanntes Miteinander, da macht auch die dortige Schule keine Ausnahme. Die dortige frisch gebackene Gemeinschaftsschule stellt sich der Herausforderung, Schülerinnen und Schüler aller Schulempfehlungsarten in den fünften Klassen gemeinsam zu unterrichten. So sitzt dort das Kind mit Gymnasialempfehlung durchaus neben den „verhaltenskreativen“ Förderschülern, die manchmal zu recht merkwürdigen Ausfällen neigen, wenn sie sich überfordert fühlen. Das ist bereits im alltäglichen Unterricht eine Herausforderung, denn man abgesehen vom unterschiedlichen Lerntempo, treten täglich ganz verschiedene Situationen auf, die durchaus Eskalationspotential haben.
Da man als Lehrerin auch der ästhetischen Bildung Genüge tun möchte, wagten wir uns mit 110 SchülerInnen ins Skelligeer Opernhaus, um „Die Weihnachtsgeschichte nach Charles Dickens“ anzuschauen. Die erste Hürde war die Wahl der Karten, denn diese sind für die netteren Plätze zu teuer, als dass Eltern mit Hartz IV oder Einkommen unter der nicht vorhandenen Mindestlohngrenze sie sich leisten könnten. Also war nur der 3. Rang drin, was einige schon weniger toll fanden.
Bereits die Hinfahrt war ein Erlebnis. Wir hatten einen eigenen Bus bei der städtischen Busgesellschaft bestellt, der proppevoll Richtung Innenstadt fuhr. Alle waren aufgeregt und man hatte als Begleitung alle Hände voll zu tun, eine Totalverkrümelung des Busses zu verhindern, weil Kinder ja dazu neigen, bei Fahrten, egal wie kurz sie sind, essen zu müssen.
Am Operhaus angekommen, wurde es auch schon gestürmt, vor allem um auszukundschaften, ob irgendwo Naschis verkauft werden. Nach Einsammlung aller Fremdgänger konnten die Plätze weit ab von der Bühne in Besitz genommen werden und die Aufregung stieg. Viele hatten zwar schon diverse Verfilmungen der Weihnachtsgeschichte gesehen, aber wie würden die Geistern nun im Theater aussehen, würde Scrooge einen echten Hund haben und könnte es sein, dass dieser ins Publikum springt … vielleicht war es doch besser da auf dem 3. Rang zu sitzen.
Das Stück begann und ich war positiv überrascht – schlagartig trat Ruhe ein, eine Ruhe, die ich mir sonst nur wünschen konnte. 110 SchülerInnen starrten gebannt auf die Bühne, johlten an den richtigen Stellen und belohnten die SchauspielerInnen mit spontanem Szenenapplaus. Selbst die bereits erwähnten verhaltenskreativen Exemplare, saßen an der Seite der jeweils für sie verantwortlichen Lehrkraft und kamen offensichtlich noch nicht einmal ansatzweise auf die Idee zu stören, denn es war ja spannend.
Das Stück war eine gelungene Mischung aus heiteren, grusligen und spannenden Szenen, gespickt mit Musik und Tanzeinlagen, die die Kinder berührten und auch die begleitenden Erwachsenen nicht ganz kalt ließen. Hier und da war ein kleiner Insider zum Schmunzeln versteckt, der das Ganze sehr unterhaltsam machte.
Die Auftritte der Geister hatten Charme, auch wenn ein Schüler bemerkte, dass der „Einmarsch“ des ersten Geistes Ähnlichkeit mit dem des Undertakers beim Wrestling habe. Nun gut, man braucht manchmal einfach Vergleichsgrößen. Eine gehörige Portion Slapstick zeigte wieder einmal, dass auch das moderne Kind sich an dem erfreuen kann, was schon die Kinder vorheriger Generationen begeisterte.
Am nächsten Tag in der Nachbesprechung des Stücks trat dann die zweite Überraschung ein, denn wirklich jeder wollte etwas dazu erzählen, alle waren begeistert und es wurden Beobachtungen von Details der Inszenierung berichtet, dass man nur staunen konnte.
Offensichtlich ist auch bei den Kindern aus sozialen Brennpunkten mehr Interesse und Motivation vorhanden, als man gemeinhin denkt, man muss es nur ausprobieren und ihnen Erlebnisse bieten, die sie in ihrem Alltag nicht haben. Die Erfahrung zeigt, dass sie allen Vorurteilen zum Trotz in der Lage sind, sich ordentlich zu benehmen, Kultur zu genießen und anschließend darüber zu reflektieren. Schade nur, dass es am Ende wieder eine Frage des Geldes ist, an der häufigere Wiederholungen scheitern.
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