Im Rahmen meines Schulmanagementstudiums musste ich zwei Praktika absolvieren. Das eine machte ich bei der Firma Raytheon und das zweite in der Schule, wo ich die organisatorischen Abläufe, wie Personalgewinnung, Stundenverteilung und Stundenplanung begleiten konnte. Es war sehr interessant mal zwei Welten – freie Wirtschaft und Schule – detaillierter kennenzulernen und miteinander zu vergleichen.
In meinem Fazit möchte ich einige Bereiche der im Praktikumsbericht ausführlich dargestellten Beobachtungen bei der Firma Raytheon und in der Schule einander gegenüberstellen und sie vergleichen. Diese beziehen sich im schulischen Bereich nicht nur auf die schwerpunktartigen Erlebnisse aus dem Praktikum sondern auf auf andere Bereiche, die ich in meiner Arbeit an der Schule bzw. Einblicke, die ich als örtliche Personalrätin gewonnen habe.
Da es sich bei der Firma Raytheon um einen ISO 9001 zertifizierten Betrieb handelt, möchte ich meinen vergleichenden Beobachtungen und Schlussfolgerungen einzelne Bereiche der ISO 9001 zugrunde legen.
Personen (personelle Ressourcen)
Bei meinen Gesprächen mit Verantwortlichen bei Raytheon ergaben sich für mich ebenfalls Einblicke in die Auswahl von Personal und die Abläufe in Bezug auf Mitarbeitergespräche und Zielvereinbarungen. Die Auswahl von Personal findet in einem wirtschaftlich arbeitenden Betrieb wie Raytheon viel stärker nach Kriterien wie Ausbildungsschwerpunkte, Mehrwert für die Abteilung und Engagement für die Firma statt, als das in Schule der Fall ist. Das ist vor allem auch deshalb möglich, da in der Wirtschaft eine weitaus höhere Autonomie im Einstellungsverfahren herrscht, man auf eine langfristige Zusammenarbeit Wert legt und Mitarbeiter auch wieder entlassen werden können, wenn sie den Anforderungen nicht gerecht werden. Diese Möglichkeiten hat Schule nicht, da die Einstellungsmöglichkeiten von allerlei Sachzwängen, wie befristete Stellenfreigabe und so gut wie keinen Alternativen bei Nichtpassung betroffen sind. Das hat zur Folge, dass ein Schulleiter sich weder sein perfektes Kollegium mit Blick auf die Bedürfnisse der „Kunden“ zusammenstellen kann. Darüber hinaus ist die Definition des „Kundens“ in Schule sehr komplex und nicht nur auf den einzelnen Schüler zu übertragen.
Auch in Bezug auf die Personalführung und -entwicklung sind Grenzen gesetzte, da es in Schule kaum zu Zielvereinbarungsgesprächen mit Mitarbeitern kommt, bei denen dieses sich klare und messbare Ziele für ihre weitere Arbeit setzen, die zu einem späteren Zeitpunkt überprüft werden.
Sicherlich könnte da vieles verbessert werden, aber aufgrund der Struktur von Schule und eine gewisse Sandwichposition von Schulleitungen ist dies schwer umsetzbar.
Planung der Produktrealisierung
Die Produkte, die Schule liefert, sind sicherlich zum Einen an den Zahlen festzumachen, die Abschlussprüfungen, Vergleichsarbeiten und ähnliches liefern. Doch der Weg dorthin kann sehr unterschiedliche sein, da das Ausgangsmaterial – der Schüler – und die Produktionsphasen – der Unterricht – nicht normiert sind. Das ist bei einem Betrieb wie Raytheon um einiges einfacher zu planen, da es normierte Materialien, Produktionsabläufe und Qualitätsanalysen der fertigen Produkte gibt. Der Rahmen der Produktion von Ergebnissen ist viel stärker vordefiniert und es gibt weniger Freiräume und Eventualitäten, die den Prozess hemmen können.
Dies auf Schule zu übertragen, würde ein hohes Maß an Einsicht und vor allem Teamarbeit zwischen den oft sehr unterschiedlichen Lehrkräften erfordern und auch dann wäre nicht sicher, ob die vereinbarten Abläufe in jeder Klasse funktionieren würden. Des Weiteren müsste die Führung anders ablaufen, denn die einzelne Lehrkraft verfügt über eine angestammte Autonomie in ihrem Arbeitsalltag, dass normierte Vorgehensweisen von Seiten der Leitung schwer durchzusetzen wären und vorher eine Kultur der Veränderung geschaffen werden müsste bzw. eine Leitbild entstehen müsste, damit die Leitung alle Mitarbeiter auf ein Ziel „einschwören“ kann, das alle dann gemeinsam verfolgen. Hier spielt ebenfalls wieder eine große Rolle, dass in Schule Mitarbeiter, die sich nicht an der Umsetzung des gemeinsamen Ziels beteiligen wollen, trotzdem oft lange Zeit im System verbleiben und die Möglichkeiten zur Motivation von Mitarbeitern überschaubar sind.
Dokumentation von Verfahren – Ablage von Dokumenten
Die Dokumentation von Abläufen, Verfahren und Prozessen ist in Schule ein problematisches Feld, da sie zum einen ein System erfordern würde, das im Vorfeld erdacht werden müsste, eine Struktur, die für alle Mitarbeiter durchschaubar und nutzbar ist und den gemeinsamen Willen, sich an Absprachen in Bezug auf die Benennung von Dokumenten und den Aufbau von Handreichungen zu halten. Dokumentationen von Abläufen spielen eine wichtige Rolle, werden aber in der Schule so gut wie nicht genutzt. Würde beispielsweise der Stundenplaner in der heißen Phase der Stundenplanung langfristig ausfallen, sähe sich die Schule vor ein kaum lösbares Problem gestellt, da keiner aus dem Kollegium diese Arbeit übernehmen könnte. Das gilt auch für einige andere Bereiche, die einem Kollegen übertragen wurden und in die kein anderer wirklich Einblick hat. Außerdem gibt es noch jede Menge anderer Beispiele für die Dokumentation von Abläufen, die zum Beispiel neuen Kollegen helfen würden, sich schneller in das komplexe und gewachsene System einer Schule einzufinden und gilt ebenso für die vielen Formulare, die im Schulalltag nötig sind.
Hier wäre eine systematischen Ablage von Dokumenten nach gewissen Vorgaben absolut vorteilhaft und könnte den Alltag erleichtern und in eventuellen Krisensituationen hilfreich sein. Aber wer plant eine solche Ablage von Handreichungen, Formularen und Dokumentationen und vor allem, wer erstellt sie? Die Umsetzung wäre ein Mammutprojekt, das nicht zu leisten ist und für das die personellen, technischen und zeitlichen Ressourcen von Schule nicht ausreichen.
Die teilweise nicht mehr technisch zeitgemäßen Ausstattungen mit Hard- und Software an Schulen sowie die mangelnde Fokussierung auf datenschutzrechtliche Belange spielen hier erschwerend noch mit rein, ebenso wie die zu geringe IT-Bildung des Durchschnittslehrers an sich.
Messung, Analyse und Verbesserung
Besonders beeindruckt hat mich bei Raytheon das interne und externe Auditierungssystem, das auf den ersten Blick an Schule völlig fehlt. Hierbei werden in regelmäßigen Abständen sowohl die übergeordneten Prozessabläufe überprüft und hinsichtlich ihrer Effektivität und Effizienz analysiert, als auch Mikroprozesse kritisch hinterfragt. Übertragen auf Schule würde das in Bezug auf die Mikroprozesse bedeuten, dass die Schulleitung regelmäßig die Arbeit aller Kollegen beobachten und anschließend reflektieren müsste, um dann Zielvereinbarungen hinsichtlich möglicher Verbesserungen zu treffen und diese nach einem angemessenen Zeitraum zu überprüfen.
Bezogen auf die übergeordneten Prozessabläufe wäre hier externe Audits durch die Schulaufsicht oder das Ministerium wünschenswert, die einen unvoreingenommen Blick auf die schulischen Abläufe und Ergebnisse ermöglichen, doch seit der Einsparung von EVIT ist dies in Schleswig-Holstein nicht mehr möglich.
Der Mangel an solchen Messungen der Umsetzung von Zielen durch vereinbarte Maßnahmen wirkt sich negativ auf den DMAIC-Zyklus aus, der an Schule ohnehin häufig vernachlässigt wird.
Abschließendes Fazit
Beide Praktika haben mir sehr viele neue Einblicke und Denkanstöße über interne Abläufe gegeben und ich bin sehr froh, dass ich die Möglichkeit hatte, eine völlig andere Perspektive in der Firma Raytheon einzunehmen und diese dann mit den Abläufen an meiner eigenen Schule vergleichen zu können.
Obwohl Schule ein ziemlich normfreies Konstrukt in Bezug auf die Materialien und Prozessabläufe ist, könnte man meiner Meinung nach einiges aus den stark normierten Strukturen einer Firma übernehmen, die sich mit der Herstellung von klar definierten Produkten beschäftigt. Auch wenn nicht alles 1:1 übernehmbar wäre, würde es Schulen gut tun, die eigenen Bestände, Abläufe und Defizite genau zu analysieren um sich daraufhin Ziele zu setzen, die entsprechenden Maßnahmen zu planen und nach einer gewissen Zeit die Umsetzung der Maßnahmen überprüfen und ggf. nachsteuern.
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