Nelson Mandela ist gestern im Altern von 95 Jahren gestorben und in den sozialen Netzwerken rollt nun wieder der RIP-Train, was zur Folge hat, dass jeder zweite Post in meiner Timeline etwas mit ihm und seinem Tod zu tun hat.
Alle finden ihn ganz toll, haben ihn schon immer bewundert und posten zum Teil schwachsinnige Beiträge, wie „RIP in Peace!“. Vor ein paar Tagen war es Paul Walker und weiter zurückliegend Eisbär Knut, Amy Winehouse oder Michael Jackson.
Sobald ein Prominenter stirbt, nimmt der RIP-Train wieder die Fahrt auf. Dieses Phänomen hat meiner Meinung nach mehrere Facetten, die ich hier einmal näher beleuchten möchte.
Fan seit dem ersten Album
Sobald ein Prominenter stirbt, scheint es so, als hätten ihn alle schon immer gekannt und gemocht bzw. verehrt. Ich erinnere mich an 2009, als Michael Jackson starb und 14-jährige Schülerinnen völlig hysterisch wurden, weil er angeblich ihr großes Idol gewesen war. Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass sie quasi nicht über ihn wussten, jedoch angesteckt wurden durch den Internethype. Nun kann man Nelson Mandela nicht mit Jackson vergleichen, denn sein Beitrag für die Welt und für Südafrika im Besonderen ist viel mehr. Doch hätte man vor einer Woche all jene gefragt, die nun pathetisch posten, was sie an Nelson Mandela schätzen, ist es relativ wahrscheinlich, dass da nicht viel Sinnvolles bei rumgekommen wäre, weil sie eben kaum was über ihn und seine Leistungen wussten und sicherlich nichts mit Vokabeln wie Apartheid oder ANC anfangen können.
Fakt ist, dass mit ihm eine Ausnahmepersönlichkeit des 20. Jahrhunderts gestorben ist, der sein Leben lang, mit anfangs friedlichen Mitteln, gegen die strikte Rassentrennung in Südafrika gekämpft hat. Dafür wurde er 27 Jahre lang eingesperrt, doch 1990 ließ man ihn frei, er bekam den Friedensnobelpreis und wurde Präsident von Südafrika. Ich erinnere mich noch an meine Schulzeit (in der DDR), in der alle Freiheitskämpfer zu absoluten Helden stilisiert wurden. So auch Nelson Mandela, für den wir im Unterricht Bilder malten, die angeblich ins Gefängnis geschickt werden sollten, um ihn in seinem Kampf gegen das Unrecht zu bestärken, wobei ich bezweile, dass er mein Bild jemals bekommen hat.
Verdient ein Toter mehr Respekt als andere?
Fakt ist jedoch auch, dass täglich 30.000 Kinder sterben, um die keiner pathetisch in sozialen Netzwerken trauert. Sicherlich haben sie nicht so viel wie Nelson Mandela geleistet, aber ein Menschenleben ist ein Menschenleben. Ebenfalls kommt es in aller Welt nach wie vor zu rassistisch motivierten Morden, was zeigt, dass Mandelas Kampf gegen Rassismus noch lange nicht beendet ist. Und dabei geht es erst einmal nur um den Rassismus, der gewalttätige Früchte trägt. Der Rassismus, der in den Köpfen stattfindet, ist dabei noch einmal eine ganz andere Geschichte. Wir halten uns zwar alle für furchtbar tolerant und offen, aber stellt euch einfach mal vor, wie es wäre, wenn ihr euren Freunden, Eltern oder Großeltern euren neuen Partner vorstellen würdet, der dunkler Hautfarbe ist. Wären da alle Beteiligten tatsächlich völlig entspannt und offen?
Sicherlich kann man damit argumentieren, dass eine Ausnahmepersönlichkeit wie Nelson Mandela auch ausnahmslos viel Respekt verdient hat, den ihm all die Postenden in den sozialen Netzwerken zuteil werden lassen wollen. Doch kann jemand, der kaum etwas über dem Empfänger der Respektsbezeugnung weiß, tatsächlich Respekt zeigen oder ist das dann nicht heuchlerisches Mitläufertum, das einfach nur peinlich ist oder als Intention lediglich die Gier nach Likes und Kommentaren hat?
Think positive!
Möglicherweise hat der Hype aber auch etwas Gutes, denn wenn nur ein kleiner Anteil derer, die einen „RIP Nelson Mandela“-Post verfassen, liken oder teilen, das zum Anlass nehmen, sich mit ihm als Person und seinen Idealen auseinanderzusetzen, gewinnen sie vielleicht Wissen, dass sie zum Nachdenken über Probleme wie Rassismus und den Kampf dagegen bewegt und damit positive Auswirkungen auf ihr Weltbild hat. Ebenso kann der Hype auch dafür mitverantwortlich sein, dass einer der Nichtswisser in den kommenden Tagen beim Zappen bei einer Doku über Nelson Mandela hängenbleibt und eben nicht weiterschaltet, um sich dann am Assi-TV ergötzen. Auch dann wäre etwas Gutes gewonnen.
Auch wenn es sich dabei nur um einen winzigen Pinselstrich handelt, macht doch die Summe der Pinselstriche am Ende das Bild aus.
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