Man kann über die Vor- und Nachteile der Schulöffnungen denken, was man will, wenn man als Schule, Schulleitungsteam und Kollegium aufgefordert ist, das zu organisieren, spielt das jedoch eine eher untergeordnete Rolle und soll auch gar nicht Gegenstand dieses Artikel sein. Stattdessen möchte ich ein wenig über die Ereignisse und Abläufe der letzten Woche berichten und nach zwei Tagen mit Schülern einer neunten Abschlussklasse, mit ganz unterschiedlichen Zielen nach dem Sommer, ein kleines erstes Resümee ziehen.
Als Ende letzte Woche die Entscheidung fiel, dass die Jahrgänge 9 und 10 zur Prüfungsvorbereitung unter Berücksichtigung bestimmter Hygienevorschriften und Regularien in die Schule kommen sollen, hatten wir als Schule inklusive Wochenende sechs Tage Zeit, alles vorzubereiten. Das betraf die Bestellung von Desinfektionsmittel, der Selbstorganisation von Sprühflaschen, die an den im Hausslang betitelten Detox-Stationen an den Eingängen aller Jahrgangsflure und in der Pausenhalle zum Einsatz kommen, die Aufteilung von insgesamt 8 Klassen in 24 Gruppen mit festen Raum- und Sitzplatzzuordnungen, damit die Abstandregeln gewahrt werden können, die Planung des gestaffelten Ankommens und Gehens der Gruppen, der Einsatz von Lehrkräften in den Gruppen, das Abfragen der Einsatzfähigkeit von Lehrkräften bzw ihrer Zugehörigkeit zu Risikogruppen, die Kommunikation mit den Schülern, wann sie wo zu sein haben und wie sie sich auf dem Weg in ihren temporären Klassenraum verhalten sollen, das Markieren von Laufwegen, die Organisation der Notbetreuung der Fünft- und Sechstklässler mit systemrelevanten Eltern sowie die vom Jugendamt als betreuungsbedürftig eingeschätzten Schüler und, und, und. Das alles natürlich, während „nebenbei“ noch ca. 25 Klassen über Homeschooling versorgt werden, von denen viele beengt wohnen und kaum technisches Equipment zu Hause haben.
Das war schon spannend zu erleben, wie ein Kollegium, dass aus ca. 80 Personen (Regelschullehrkräfte, Sonderschullehrkräfte, SchulsozialarbeiterInnen und pädagoischen Fachkräften) besteht, das gewuppt bekommt. Plötzlich gab es keinen verlässlichen Stundenplan, keinen Vertretungsplan, ganz viel Autonomie und damit auch Verantwortung wurde den Klassenteams (alle Lehrkräfte, die in einer Klasse unterrichten) gekoppelt an klare Vorgaben übertragen, es wurde viel auf Freiwilligkeit gesetzt und die Flut der Informationen und Rückfragen pro Tag war immens. Als ich dann gestern den ersten Tag mit Teilen meiner Klasse verbringen durfte, war ich ein bisschen aufgeregt, als ich in die Schule fuhr und wusste, das sich nun zeigen sollte, wie gut unsere Planung und Organisation in der Realität ist.
Zusätzlich zu den vorgegebenen Maßnahmen haben wir für alle Personen, die sich im Schulgebäude bewegen, Maskenpflicht verordnet. Wenn dann alle ihren Platz im Klassenraum gefunden haben und arbeiten, darf die Maske abgesetzt werden. Bewegt man sich im Raum oder muss ein bisschen näher aneinander heran, weil etwas erklärt werden muss, setzt man die Maske wieder auf. Wir hatten alle Schüler informiert, dass diese Regeln auch bei der Ankunft in der Schule gilt und in Ermangelung von Einwegmasken einen Bastelstand mit Servietten und Gummibändern am Eingang aufgestellt. Laut dem Kollegen, der gestern und heute der „Türsteher“ war, musste dieser aber sehr selten genutzt werden, weil die meisten Schüler eigene Masken hatten. Der Kollege hatte sich eine Poolnudel mitgenommen, um immer wieder Schülergruppen bildlich deutlich zu machen, wie weit auseinander man für zwei Meter Abstand gehen muss und ich feiere ihn sehr für diese Idee. Es gab keine Ballungen, weil zu viele Schüler gleichzeitig angekommen waren und das Desinfizieren an den Detox-Stationen schien auch gut funktioniert zu haben. Im Gebäude verteilt waren Lehrkräfte zur Aufsicht unterwegs und die Stimmung war insgesamt gut.
Wir hatten uns für unsere Klasse ein rotierendes Verfahren überlegt, bei dem drei Lehrkräfte abwechselnd in den drei Klassengruppen sind. Wichtig war uns einmal die Rückmeldung, wie die Klasse die über fünf Wochen Isolation und Homeschooling verkraftet hatten, ihnen Mut zu machen für die ESA-Prüfung, zu organisieren welche Aufgaben in der Schule und welche zu Hause zu machen sind, Schullaptops zu verleihen und fachlich zu arbeiten. Mehr als einmal habe ich an diesem Vormittag Sätze wie „Ich hätte nie gedacht, dass ich mich so freue, wieder in der Schule zu sein.“, „Ich hab sie voll vermisst.“ und „Ich habe so Angst vor der Prüfung, wir konnten uns gar nicht richtig vorbereiten.“ gehört. Einige durften seit der Schulschließung die Wohnung kaum verlassen und andere haben die Zeit des Kontaktverbots mit sechs Personen in einer 2-Zimmerwohung verbracht, dementsprechend viel Zeit haben wir auch erstmal auf das gemeinsame Miteinander verwendet. Heute wurde dann sehr fleißig gearbeitet und es wurde noch einmal deutlich, wie viel individueller es sich in einer heterogenen und inklusiven Lerngruppe mit acht Schülern arbeiten lässt im Vergleich zu einer 24er-Gruppe. Ich hatte den Eindruck, dass viele heute entspannter in Bezug auf die Prüfungen nach Hause gegangen sind, als sie gestern in die Schule kamen.
Was mich in Bezug auf meine Kollegen wirklich gefreut hat, war die positive Einstellung zu dem ganzen Freestylemodus sowie die Freiwilligkeit und solidarischen Haltung mit der sie unterwegs sind. Ich hatte vor ein paar Tagen gegen 18 Uhr eine leere Tabelle mit der Besetzung der Notbetreuung bis 30. April für täglich acht Unterrichtsstunden rumgemailt mit der Bitte, dass sich gern die Kollegen eintragen sollen, die durch fachliche Vorbereitung oder Klassenversorgung nicht so stark eingespannt sind und die Tabelle war nach zweieinhalb Stunden komplett mit vielen verschiedenen Freiwilligen gefüllt. Andere Kollegen haben sich mit Schülern einzeln auf dem Parkplatz unter Wahrung der Abstandsregeln getroffen, ein bisschen mit ihnen geschnackt, Aufgaben ausgetauscht oder sind mit dem Fahrrad durch den Stadtteil gefahren, um Arbeitsmaterialien an die auszuliefern, die technisch sehr schlecht aufgestellt sind. So cool das ist, ist es schade, dass da noch nicht noch mehr digital geht, aber wir arbeiten daran.
Mir ist schon klar, dass es an dieser Stelle Kritik geben kann, dass wir durch unsere Kreativität und unsere Bemühungen falschen politischen Entscheidungen zum Gelingen verhelfen und die Entscheider später zu Unrecht sagen können: „Wo ist denn das Problem, lief doch alles!“, aber das ist für mich an dieser Stelle nicht die Hauptfrage. Bestimmte Entscheidungen der Bildungspolitiker für sich zu bewerten und das zu kommunizieren, ist eine Seite der Medaille, Erlasse und Vorgaben der Bildungspolitiker bestmöglich vor Ort umzusetzen und die Schülern gut zu versorgen eine andere.
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